Bislang haben Reisen nach Russland immer noch den Hauch von etwas Unbekannten und Exotischen! Zwar hat das Interesse an Gruppenreisen auch in diesen Sommer wieder stark zugenommen, doch Individualtouristen sind bislang nur selten in Russland anzutreffen.
Komplexe Einreiseformalitäten, kyrillische Schriftzeichen und allzu oft auch eine politisch- negativ gesteuerte Berichterstattung, hielten viele Touristen bislang vor einer Russlandreise ab. Spätestens jedoch seit der Fußball EM im vergangenen Jahr hat sich das Bild Russlands massiv gebessert. Nicht zuletzt durch die zahlreichen Investitionen erhielt die touristische Infrastruktur des Landes außerdem einen letzten Schliff verpasst.
Profiteure des Imagewandels ist die gesamte russische Reiseindustrie. Im EM Jahr 2018 besuchten allein 5,5 Millionen ausländische Touristen die russische Hauptstadt, wodurch sich Moskau in der Statistik der meistbesuchten europäischen Städte, unter die Top 20 katapultierte. Dabei generierte Moskaus Bürgermeister Sergej Sobjanin allein aus dem Tourismus, Einnahmen in der Höhe von 1,7 Milliarden Euro.
Auch Präsident Vladimir Putin hat die Zeichen der Zeit erkannt. Seit Anfang Oktober können Touristen aus 53 Nationen kostenlos und unkompliziert ein E-Visum für die Region Leningrad – St. Petersburg beantragen. In weiterer Folge soll ab 2021 das E-Visa auf ganz Russland ausgeweitet werden.
Der traveller hat sich auf den Weg nach Russland gemacht, um zu testen, wie unkompliziert das Reisen innerhalb des Landes inzwischen geworden sind. Ziel der Russlandreise war ein Städtetrip nach Moskau & St. Petersburg. Für Fahrten innerhalb der Städte empfiehlt sich generell die Benutzung des öffentlichen Verkehrsnetzes. Die U-Bahnen verkehren im 90 Sekunden Takt und die Orientierung ist dank englischer Beschilderung einfach. Moskaus Gebäude erstrahlen in neuem Glanz und wohl kaum in einer anderen Millionenstadt wird so viel Wert auf Sauberkeit gelegt. Wer Ruhe& Erholung abseits der touristischen Zentren sucht, ist in den prächtigen Parkanlagen der 12 Millionen Einwohner Stadt bestens aufgehoben.
Moskau auf eigene Faust zu erkunden ist einfach und unproblematisch! So gut wie überall trifft man auf Englisch sprechende Menschen. Für die meisten Sehenswürdigkeiten können inzwischen E-Tickets bequem und problemlos von zuhause aus geordert werden. Moskau ist nicht nur die Hauptstadt des Landes, sondern auch dessen Finanzzentrum. Wer Hochhausarchitektur liebt, sollte daher unbedingt ein Abstecher nach Moskau-City einplanen. Nur wenige Minuten vom Stadtzentrum entfernt, entstand in den letzten 20 Jahren ein neuer Stadtteil mit rund 30 imposanten Wolkenkratzern. Moskau-City ist auch das beste Beispiel dafür, wie sehr die Stadt ihr Aussehen verändert hat und damit ihre vielen Besucher fasziniert.
St. Petersburg besticht im Gegensatz zu Moskau durch seine prunkvollen Kirchen und Zarenschlösser. Die Eremitage, der Katharinen Palast oder Petershof sind einzigartig. Das junge Gesicht der Stadt zeigt sich jedoch im Stadtzentrum, wo Straßenkünstler mit Live Musik für gute Stimmung unter dem jungen Publikum sorgen.
Durch die Einführung des neuen E-Visum erhofft sich St. Petersburg steigende Tourismuszahlen. Der traveller sprach mit Ekaterina Kohlhauser (Visit Russia) über die neuen Chancen:
Russland erlebt derzeit einen Tourismus Boom, wie zufrieden sind Sie mit der Entwicklung?
Wir erleben nun den Anfang eines Russland Booms. Nach der sehr erfolgreichen WM 2018 ist das Land offener und attraktiver für internationale Gäste geworden. Viele Ängste und Klischees sind verschwunden. Es wurde klar, wie sicher eine Reise nach Russland ist. Zahlreiche Fans haben weltweit über ihre positive und unvergessliche Erfahrungen berichtet. Solche persönliche Berichte sind besser als jede bezahlte Werbung. Vor allem freuen wir uns auf große Interesse für neue und weniger bekannte Destinationen, was in erster Linie den WM – Spielen in 11 russischen Städten zu verdanken ist.
Seit Oktober gibt es ein neues E-Visa für die Leningrader Region (St. Petersburg), erwarten Sie eine verstärkte Nachfrage?
E-Visa gibt es schon länger für die Kaliningrader Region (Königsberg) und dies funktioniert sehr gut. Eine schnelle und kostenfreie Visumabwicklung ist für viele ein wesentlicher Entscheidungsgrund für eine Reise. Ganz ehrlich, so leicht war eine Reise ins „Venedig des Nordens“ noch nie.
Wie komplikationslos sind ihrer Meinung nach Reisen in Russland geworden?
Die meisten Komplikationen sind in den Köpfen der Menschen. Für die Infrastruktur wurde sehr viel getan, die Sicherheit ist gewährleistet. Immer mehr Russen sprechen ein gutes Englisch, die Straßenbeschilderungen sowie Ansagen in der U-Bahn gibt es jetzt auch auf Englisch. Kreditkarten oder Bankomatzahlungen sind fast überall möglich. Viele Serviceleistungen wie Taxi, Bahn, Museen oder Theater Tickets, sind leicht über Internet oder Apps buchbar. Täglich gibt es bis zu sieben Direktflüge von Wien nach Moskau. Bei der Visum Abwicklung hat sich in den letzten Jahren viel Positives getan. Was braucht man mehr, um Russland zu entdecken?
Martin Dichler
Dieser Bericht wurde im Reisefachmagazin traveller in der Ausgabe 28/2019 veröffentlicht: