Francesco Sciortino

in Interview

Der nächste Boeing 787-9 Dreamliner soll in der zweiten Jahreshälfte 2025 zu uns stoßen

Mit der Einführung der neuen Boeing 787-9 Dreamliner, der Anmietung von Wet-Lease Flugzeugen und alltäglichen Herausforderungen, wie die jüngsten Wetterkapriolen oder Regulierungen bei der Vergabe von Slots, hatte der Austrian Airlines Flugbetrieb in den vergangenen Monaten einiges zu tun.

aeroTELEGRAPH bat deshalb Austrian COO Francesco Sciortino zum Gespräch:

Sie haben Ihre fliegerische Karriere als A320 Co-Pilot bei Austrian Airlines im Jahr 1997 begonnen und sind seit über drei Jahren als COO unter anderem für den Flugbetrieb bei Austrian verantwortlich. Wie zufrieden sind Sie mit der Performance Ihres Unternehmens innerhalb des Lufthansa Konzerns?

Francesco Sciortino:
Gut, dass Sie die Frage nach der Zufriedenheit innerhalb des Lufthansa Konzerns stellen, denn da sind wir tatsächlich sehr zufrieden. Viele Airlines hatten nach dem Ende von Covid ihre Startschwierigkeiten. Innerhalb der Lufthansa Group haben wir hier sehr gut performt und performen seit Jahren schon sehr gut. Zur Erinnerung: Im vergangenen Jahr waren wir die drittpünktlichste Fluglinie innerhalb Europas. Zugegebenermaßen hatten wir heuer aber mit zahlreichen Faktoren zu kämpfen, die wir so nicht voraussehen konnten und auch der AUA operationell einige Schwierigkeiten bereitet haben.

Worin lagen heuer die größten Herausforderungen?

Wir haben viel getan im Unternehmen um die Pünktlichkeit möglichst hoch zu halten. Heuer kamen tatsächlich einige externe Faktoren dazu,- wie die außerordentlichen Wetterkapriolen dieses Jahres, die es uns schwer gemacht haben. Dazu kam das Thema der Air Traffic Control (ATC)-Fluglotsen und der Slots, wo es speziell in Ungarn einen Engpass gibt. Etwas überspitzt formuliert ist man ja nach dem Start in Wien schon im ungarischen Luftraum, sobald das Fahrwerk des Flugzeuges eingefahren wird. Deshalb betrifft uns das natürlich besonders. Nur als Beispiel, im Vergleich zum Vorjahr sind hier die ATC-Slot Restriktionen um 270% gestiegen.

Seit 17. Mai steht der erste von zwei Boeing 787-9 „Dreamlinern“ im Flugbetrieb, wie lautet Ihr erstes Resümee nach vier Monaten?

Wir sind sehr zufrieden und unsere Gäste lieben das Flugzeug mit seiner neuen Kabine sowie Internet an Bord. Unsere Boeing 787-9 fliegt wie ein Uhrwerk, es gab keine technischen Probleme, denn das Flugzeug ist im Betrieb sehr zuverlässig. Wir hatten auch keine Probleme mit der Bereitstellung von Crews. Unser Flugbetrieb lief sogar so gut, dass wir  noch Zeit hatten, den Dreamliner bei Sonderflügen, wie zuletzt im Rahmen der Flugshow „Airpower 24“, einzusetzen.

Wie lange werden die beiden ehemaligen Bamboo Maschinen im Einsatz bei Austrian stehen?

Die Maschinen sind bei uns, bleiben auch bei uns und werden weiterhin Teil der AUA-Flotte sein. Wir expandieren weiter wie geplant bis zur vollständigen Umstellung der Langstreckenflotte auf die  Boeing 787-9. Die Maschinen sind ja über den Konzern geleast um bessere Konditionen zu erhalten und wurden dann innerhalb des Konzerns an uns zugeteilt.

Aktuell fliegen die ersten beiden Boeing 787-9 fast täglich nach Chicago und New York. Welche Langstreckenverbindung würde sich besonders für den Einsatz des Dreamliners als nächste anbieten?

Gerade am Anfang bieten sich die US-Ostküstenziele am ehesten für den Betrieb an, weil wird durch den Aufbau der Crews Strecken fliegen müssen, die mit zwei und nicht drei Crews geflogen werden. So können wir ohne Zeitdruck weiter Personal auf die Dreamliner schulen. Im Winterflugplan werden wir die Rotationen ändern. Im Winter fliegt nicht wie bisher der Dreamliner nach Chicago und New York (JFK), sondern ein Flugzeug täglich nach Washington und eines nach Newark. Im Sommer werden wir allerdings wieder Chicago und JFK mit den Dreamlinern anfliegen.

Die OE-LPL fliegt in einer weißen Grundlackierung, bis wann wird das Flugzeug eine AUA Branding erhalten?

Wir haben kürzlich das Flugzeug im Austrian Branding beklebt. Zwar nicht komplett, aber so, dass es als Austrian Flugzeug erkennbar ist. Die Arbeiten dazu wurden von einer externen Firma, der Firma Adhetec, bei uns im AUA-Hangar gemacht. Der zweite Teil der Beklebung, konkret jener der Heckflosse, wird in einigen Monaten erfolgen. Dieser Schritt benötigt aber eine rund siebentägige Standzeit. Wir müssen erst planen, wann wir das umsetzen.

Wie geht es mit den weiteren „Dreamliner“ Auslieferungen weiter, theoretisch hätte ja bis Jahresende eine erste Boeing 787-9 aus Lufthansa Beständen nach Wien kommen sollen?

Der aktuelle Plan ist das der nächste Boeing 787-9 Dreamliner in der zweiten Jahreshälfte 2025 zu uns stoßen wird. Der Grund der Verzögerung ist wie bekannt der Umstand, dass die Lufthansa selbst ihre bestellten Flugzeuge nicht erhält. Gleichzeitig hat Lufthansa selbst sehr viele Boeing 787 Piloten für ihre fünf Flugzeuge geschult und kann schon deshalb nicht ein Flugzeug abgeben, solange nicht neues Fluggerät hinzukommt.

Zusammengefasst: Der Plan mit Stand heute ist, dass dieses Jahr kein weiterer Dreamliner kommen wird und die nächsten dann im neuen Jahr, wobei Anzahl und Zeitpunkt der Übernahme derzeit noch nicht feststehen. Wir wären aber nicht die AUA würden wir uns nicht selbst inzwischen nach weiteren Alternativen umsehen. Wir werden sehen, was dabei rauskommt!

Wenn Sie sagen, dass Sie sich selbst nach Alternativen umsehen, dann meinen Sie solche, wie sie sich aus dem Bamboo Deal ergeben haben?

Es ergeben sich möglicherweise neue Alternativen, aber derzeit gibt es auch hier noch keine konkreten Optionen.

Wie sieht es mit der Ausbildung der OS-Crews auf dem neuen Flugzeugtyp aus, haben Sie genug „Dreamliner“ Crews oder benötigen Sie noch Hilfe vom Mutterkonzern?

Wir haben inzwischen genug eigene Piloten, insgesamt wurden 64 Piloteninnen und Piloten auf die Boeing 787-9 geschult, um den Flugbetrieb der beiden Dreamliner zu gewährleisten. Das ist ein laufender Prozess, wir schulen laufend weiter Personal. Die 10 Lufthansa Piloten sind aber noch bis Ende Oktober bei uns, um etwas mehr Stabilität in den Betrieb zu bringen. Wir würden es alleine schaffen, aber es ist für beide Seiten eine „Win-Win“ Situation. Die Lufthansa hat viele 787-9 Piloten, aber zu wenige Flugzeuge, so fliegen diese bei uns um Stunden zu sammeln, während wir mit den zusätzlichen Piloten einen stabilen Flugbetrieb gewährleisten können. Bis Ende des Jahres werden wir noch 12 weitere, eigene Piloten auf den Flugzeugtyp schulen.

Seit Juni fliegt als Ersatz für einen beschädigten A320neo ein Air Dolomit E195 nach Norditalien. Wie sieht die hier zukünftige Zusammenarbeit aus?

Air Dolomiti ist den ganzen Sommer über nach Venedig geflogen und da das Unternehmen Teil der Lufthansa Group ist, hat die Zusammenarbeit auch sehr viel Sinn für alle Beteiligten gemacht. Sobald unsere OE-LZQ aber wieder im Einsatz ist, werden wir die Strecke wieder selbst bedienen.

Air Baltic verstärkt ihre Zusammenarbeit mit dem Lufthansa Konzern und wird ab dem kommenden Jahr A220-300 in Wien stationieren. Darf man annehmen, dass der Jet für Austrian Airlines zum Einsatz kommen wird?

Nach aktuellem Stand plant Austrian Airlines einen Einsatz von drei Wet-Lease-Flugzeugen der Air Baltic im Sommerflugplan 2025. Die Wet-Lease-Flugzeuge der Air Baltic werden zusätzlich zu den Wet-Lease-Flugzeugen von Braathens Regional Airlines eingesetzt. Das finale Flugprogramm befindet sich aktuell in Abstimmung, weshalb wir uns zu diesem Zeitpunkt zu keinen weiteren Detailfragen äußern können.

Im Frühling haben zwei Zwischenfälle der AUA für Schlagzeilen gesorgt. Anfang April ist ein A320neo (OE-LZQ) in eine Fluggastbrücke des Flughafen Wien gerollt und zwei Monate später erlebten Passagiere einige Schreckensminuten, als ein A320 (OE-LBM) im Anflug auf Wien in ein schweres Hagelgewitter geriet. Was sind Ihre Erkenntnisse aus den beiden Vorfällen?

Man muss die Vorfälle unterschiedlich sehen: Das eine war ein Rollschaden, wo kein AUA Mitarbeiter involviert war und auch kein Passagier an Bord war. Das war ein Handlingfehler des Flughafens. Jeder dieser Zwischenfälle sorgt dafür, dass wir uns aber selbst hinterfragen, ob wir noch etwas besser machen können, denn die Sicherheit steht bei Austrian Airlines an oberster Stelle. All diese Dinge haben insofern Konsequenzen, als dass wir noch einmal überprüfen, was wir besser machen können.

Da haben wir beim Flughafen Wien einige Dinge angesprochen um solche Vorfälle zukünftig zu verhindern. Bei allem was uns wichtig ist, bei aller Bemühen um Pünktlichkeit, die Sicherheit steht für die AUA immer an oberster Stelle!

Und wie sieht es beim Hagelvorfall aus?

Dabei sind wir sehr daran interessiert zu erfahren, was genau passiert ist und woran es gelegen hat, dass es zu dem Vorfall kam. Deshalb haben wir sofort die Behörden eingeschaltet und alle Unterlagen übergeben. Wir warten auf die Ergebnisse und werden dann überlegen, welche Konsequenzen wir daraus ziehen.

Der beschädigte A320neo (OE-LZQ) fliegt bis heute nicht, wird die Maschine wieder zum Einsatz kommen?

Ja, der Airbus wird wieder fliegen. Die Reparatur wird aber eine spektakuläre Geschichte, denn Airbus kommt mitsamt allem dafür notwendigen Equipment nach Wien. Airbus wird das gesamte Heck wie bei der End-Produktion im Werk-, abnehmen und austauschen. Dabei wird das Flugzeugheck zerlegt und ein komplett neues Heck wieder an das Flugzeug dran gebaut. Dafür werden extra Werkzeuge und Hebebühnen nach Wien gebracht, denn bislang wurde dieser Arbeitsschritt von Airbus noch nie außerhalb ihrer Produktionshallen in der Endfertigung gemacht, was die Sache so spektakulär macht. Die Airbus Mitarbeiter kommen im November und werden diesen Winter die Reparatur des Airbus erledigen.

Die AUA betreibt insgesamt 29 A320-200 und 6 A321-100 die in die Jahre gekommen sind. Wären die von Lufthansa bestellten Boeing 737 MAX-8 nicht eine ideale Ablöse?

Sie wären eine Ablöse für die Flugzeuge, ob diese ideal ist, da scheiden sich die Geister selbst innerhalb der Lufthansa Group. Wir stehen in Gesprächen mit der Gruppe. Wo aber schlussendlich die Maschinen zum Einsatz kommen werden, ist aktuell noch offen. Derzeit kristallisiert sich ein möglicher Einsatz bei Eurowings, oder Austrian heraus, das wird aber vermutlich erst gegen Jahresende entschieden werden.

Der Airbus Pilot Francesco Sciortino tendiert wohl eher zu Airbus?

Ich sehe die Entscheidung ganz faktenbasiert- und wirtschaftlich. Die Boeing hat Vorteile aber auch Nachteile wie z.B kein Cargo-Loading System, was auch eine große Umstellung für uns bedeuten würde. Das Thema wird innerhalb der Lufthansa Group diskutiert und wir werden für die beste Lösung auch im Sinne der AUA eine gemeinsame Entscheidung treffen.

Austrian hat mit der Übernahme der beiden Dreamliner und der ersten fünf A320neo einen Schritt in Richtung Modernisierung ihrer Flotte getan. Gibt es schon einen Zeitrahmen, ob und bis wann vielleicht weitere Neo´s als Ersatz kommen könnten?

Derzeit nicht! Die ersten fünf A320neo waren uns wichtig für Strecken wie z.B von Wien nach London, wo wir viel Kerosin einsparen können. Jetzt konzentrieren wir uns aber zuerst auf die Übernahme der weiteren Boeing 787-9, wobei klar ist, dass die Airbus Maschinen in den nächsten Jahren abgelöst werden müssen. Am Ende hängt das aber natürlich auch von unserer wirtschaftlichen Leistung ab, denn bekanntlich kosten neue Flugzeuge viel Geld.

Vier Boeing 777-200ER sollen in Kürze eine spezielle „Haifischhaut“- Beklebung erhalten, um den Treibstoffverbrauch und CO2-Emissionen zu senken. Warum hat man sich für Beklebung der in die Jahre gekommen 777 entschieden und nicht für die 787-9, die ja noch einige Jahre länger im Einsatz stehen wird?

Wir haben jetzt einmal damit angefangen, das bedeutet nicht, dass die anderen Maschinen diese Beklebung nicht auch noch bekommen werden. Nachgewiesenermaßen hilft die Beklebung mindestens 1% Kerosin zu sparen. Für jeden Flugzeugtyp braucht es zur erstmaligen Beklebung die notwendigen behördlichen Genehmigungen – und das ist gar nicht so einfach. Bei uns kommt es dabei zu einer Premiere, denn wir haben die erste Boeing 777-200ER, die so eine Haifischhaut erhält.

Sie bieten bei der Buchung auf ihrer Webseite einen  „Green“ Tarif an, der einen SAF und CO2 Ausgleich beinhaltet. Sind die Kunden schon heute bereit mehr zu zahlen?

Hier gibt es wirklich positive Nachrichten zu verkünden! Wir sind zwar noch lange nicht da, wo wir hinwollen, doch wenn man vergleicht, lagen die Kundenbuchungen mit CO2-Ausgleich vor Jahren noch bei einem ganz schwachen einstelligen Prozentbeitrag. Inzwischen erreichen wir zumindest in der Business Class Werte von rund 10% der Buchungen. Das bedeutet, es geht in die richtige Richtung. Wir werden weiterhin freiwillig SAF beimischen. Die Kosten für verpflichtendes SAF werden sich jedoch im Preis wiederfinden.

Die IATA hat errechnet, dass im Jahr 2024 erst rund 0,53% des weltweiten Kerosinverbrauches aus SAF verfügbar sind. Wie schwer wird es für die Airlines die EU-Vorgaben, sprich 2% SAF-Beimischung verpflichtend ab 2025 und 6% ab 2030, umzusetzen?

Ich denke, dass die Lieferanten mit Importen ihre Pflichten ab 2025 erfüllen können. Die Frage die sich mir eher stellt ist, welche Auswirkungen diese Regelung für die EU-Airlines haben wird, wenn die Fluglinien außerhalb Europas diese Vorgaben nicht haben? Dieses Thema bereitet uns wirklich Kopfschmerzen, denn wenn die Fluggäste beginnen europäische Flughäfen aufgrund der höheren Kosten zu meiden und stattdessen über Istanbul oder andere außereuropäische Hubs fliegen weil es billiger ist, dann hilft das weder der Umwelt noch der Industrie. Wir wollen die Ziele erreichen, aber es kann nicht sein, dass es solche Unterschiede und Wettbewerbsnachteile für manche gibt und für andere nicht.

Martin Dichler

https://www.aerotelegraph.com/die-naechste-boeing-787-9-wird-in-der-zweiten-jahreshaelfte-2025-zu-uns-stossen

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